Essstörung: Was ist das?

Essstörungen treten in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen auf. Zur Orientierung stellen wir hier die häufigsten vor. Aber ganz gleich, ob du dich oder eine andere, dir nahestehende Person darin wiedererkennst oder nicht: Allein, dass du dir über das Thema Gedanken machst, ist ein Anlass zur Sorge. Lass uns darüber sprechen!

Die häufigsten Essstörungen:

Anorexie/Magersucht

Die Anorexie oder Magersucht beginnt meist in der Pubertät mit einer „harmlosen“ Diät, die zur Sucht nach immer weiterer Gewichtsabnahme und schließlich zu einer ernsthaften psychischen Krankheit wird. Meist geht es dabei um mehr als die Kontrolle des Gewichts. Eine Magersucht erfüllt oft das Bedürfnis nach Selbstwert und Stolz, nach Sicherheit und Kontrolle.

Typisch für die Magersucht sind:

  • Gezielte Gewichtsabnahme durch Beschränkung auf kleine Mengen kalorienarmer Nahrung, durch Sport, teilweise auch durch Erbrechen, Abführmittel oder andere Medikamente
  • Körperschemastörung: Der eigene Körper wird als zu dick wahrgenommen und abgelehnt.
  • Untergewicht:
    BMI unter 17,5 bei Erwachsenen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten die altersentsprechenden Perzentiltabellen. Weitere Informationen inkl. Online-BMI-Rechner stehen auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Essstörungen zur Verfügung.
  • Ausbleiben der Menstruation; bei Männern Libido- und Potenzstörungen
  • Störungen im Hormonhaushalt, dadurch entstehende Depressionen mit Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Antriebslosigkeit usw.
  • Extreme Angst vor Gewichtszunahme
  • Mangelnde Krankheitseinsicht

Wichtig ist: Bei der Magersucht geht es meist um viel mehr als die Kontrolle des Gewichts. Eine Magersucht erfüllt oft das Bedürfnis nach Selbstwert und Stolz, nach Sicherheit und Kontrolle, nach Aufmerksamkeit, Abgrenzung und vielerlei mehr. Daher ist die Angst vor dem Gesundwerden weit mehr als nur die Angst vor dem Zunehmen: Es ist vor allem die Angst, für all diese Bedürfnisse dann keine Lösung mehr zu haben. Erst wenn dies gesehen und ernst genommen wird, kann der Betroffene einen Weg aus der Magersucht finden.

Bulimie

Die Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt, ist eine Ess-Sucht mit Essattacken. Viele der Betroffenen hatten vorher eine Magersucht oder eine längere Diätphase. Das lange Reduzieren und Verzichten schlägt körperlich wie seelisch ins Gegenteil, den Heißhunger, um. Die so entstehenden Essattacken lösen eine panische Angst vor Gewichtszunahme aus, der die Betroffenen mit verschiedenen Maßnahmen entgegenzuwirken versuchen.

Auf die Essattacken reagieren die Betroffenen mit unterschiedlichen Maßnahmen. Eine dieser Gegenmaßnahmen ist das Erbrechen. Es können aber auch extremer Sport, Abführmittelmissbrauch oder Hungerphasen sein. Das Gewicht bleibt dadurch in einem Normalbereich, sodass eine Bulimie äußerlich meist zunächst sehr unauffällig ist.

Typisch für die Bulimie sind:

  • Essattacken mit Gegenmaßnahmen wie Erbrechen, Abführmittel, Sport oder Hungern
  • Starke Angst vor Gewichtszunahme
  • Körperliche Folgeschäden wie Kopfschmerzen, Kreislaufstörungen, Verdauungsstörungen, Schlafstörungen
  • Haarausfall, Müdigkeit, Erschöpfung, Nieren- und Herzschäden
  • Magensäurebedingte Folgeschäden bei Erbrechen: Schädigungen der Magenschleimhaut, des Magenschließmuskels, der Speiseröhre, der Stimmbänder, des Zahnfleischs und des Zahnschmelzes
  • Psychische Veränderungen wie Depressionen, Gereiztheit, Aggressivität oder sozialer Rückzug

Wichtig ist: Die Essanfälle haben meist eine wesentliche Funktion im Gefühlshaushalt der Betroffenen. Sie dienen als Ventil für Stress, Wut, Frust, Erschöpfung, Traurigkeit, Einsamkeit und viele andere schwer erträgliche Gefühlszustände. Auch das Erbrechen kann als Ventil für seelische Spannungen dienen. Wer aus einer Bulimie herausfinden will, braucht nicht nur ein ausgewogenes Essverhalten, das keinen Heißhunger mehr auslöst, sondern auch Lösungen für die oben genannten Gefühle und die dahinterstehenden Probleme.

Binge-Eating-Störung

Die Binge-Eating-Störung ist eine Form der Ess-Sucht. Sie ist mit der Bulimie verwandt: Auch beim Binge Eating treten regelmäßige Essattacken auf, bei denen in kurzer Zeit sehr große Mengen meist hochkalorischer Nahrung verschlungen werden.

Bei diesen „Gelagen“ (engl.: binge) wird das Sättigungsgefühl weit überschritten. Als Folge kommt es oft zu Übelkeit und Bauchschmerzen. Im Gegensatz zur Bulimie werden keine gewichtsregulierenden Gegenmaßnahmen ergriffen, sodass es dauerhaft zu einer Gewichtszunahme kommt.

Wie bei der Bulimie geht es auch bei dieser Ess-Sucht vorwiegend um psychische Bedürfnisse, die das Essen als Ersatz erfüllen soll: Beruhigung, Trost, Ablenkung, Betäubung, Entspannung oder andere. In der Beratung und Therapie geht es darum, diese in den Blick zu nehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Weitere Formen auffälligen Essverhaltens:

Adipositas

Die Adipositas ist eine körperliche Erkrankung, bei der das Übergewicht in einen körperlich riskanten und belastenden Bereich gelangt. Wenn das Übergewicht dadurch entsteht, dass der Betroffene über längere Zeit hinweg das Essen nicht als Nahrungsmittel, sondern als Sucht- und Ersatzmittel braucht bzw. missbraucht, handelt es sich um eine Essstörung.

Bei Erwachsenen spricht man ab einem BMI von 30 von einer Adipositas. Bei Kindern und Jugendlichen gelten Alterstabellen, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Jungen und Mädchen zur Verfügung stellt.

Adipositas kann durch vielerlei Ursachen hervorgerufen werden: durch genetische Faktoren, Krankheiten, Nebenwirkungen bestimmter Medikamente und durch dauerhafte falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Alle diese Formen der Adipositas haben jedoch zunächst nichts mit Essstörungen zu tun.

Eine Essstörung liegt dann vor, wenn das Übergewicht dadurch entsteht, dass der Betroffene über längere Zeit hinweg das Essen nicht als Nahrungsmittel, sondern als Sucht- und Ersatzmittel (miss-)braucht. Dabei isst der Betroffene immer wieder ohne Hungergefühl bzw. über die Sättigung hinweg, um sich zu trösten, zu beruhigen oder Ähnliches. In diesem Fall sprechen wir von einer „psychogenen Adipositas“.

Dabei hat das Überessen nicht die Form von Essanfällen, sondern zieht sich meist über den gesamten Tag hin. Die Betroffenen leiden oft unter Scham und Schuldgefühlen, versuchen ihre Essmengen zu verheimlichen und machen frustrierende, dauerhaft misslingende Diätversuche. Sie befinden sich in einem Teufelskreis von Essen als Ersatz, Gewichtszunahme, Scham wegen des Übergewichts, abwertenden Blicken und Bemerkungen, sozialem Rückzug, Einsamkeit, Depressivität – und wiederum Essen, um sich zu trösten.

Wichtig ist: Abnehmkuren und Diäten sind hier keine Lösung, sie verstärken nur den Teufelskreis. Diejenigen Menschen, deren Adipositas aus psychischen Gründen besteht, brauchen therapeutische Unterstützung als Begleitung zur Entwicklung eines gesunden Ess- und Bewegungsverhaltens.

Orthorexie und Biggerexie

Zu den besonderen Formen der Essstörungen gehören die Orthorexie und die Biggerexie. Bei der Orthorexie handelt es sich um den Zwang, nur das „Richtige“ zu essen. Die Biggerexie ist eine typisch männliche Essstörung, die auch als Adoniskomplex oder Muskelsucht bezeichnet wird. Die Betroffenen, meist junge Männer, leiden unter der Vorstellung, zu wenig muskulös zu sein, und versuchen, mit unterschiedlichen Mitteln ihre Figur zu verändern.

Orthorexie
Die Betroffenen sind fixiert auf die Unterscheidung zwischen „gesundem“ und „ungesundem“ Essen und erlegen sich selbst strenge Verbote auf. Der Unterschied zwischen der Orthorexie und anderen konsequent kontrollierten Ernährungsweisen wie z.B. biologischer, vegetarischer oder veganer Ernährung besteht in folgenden Punkten:

  • Es treten stark zwanghafte Züge im Denken, Sprechen und Verhalten auf.
  • Die Gedanken sind stark auf das Thema Essen fixiert.
  • Das Essen von „Verbotenem“ führt zu Schuldgefühlen.
  • Das Essverhalten anderer wird abgewertet, mit Überlegenheit betrachtet oder zu missionieren versucht.
  • Die eingeschränkte Auswahl beim Essen zieht negative Auswirkungen wie zum Beispiel soziale Isolation nach sich.

Biggerexie
Die meist jungen Männer, die von der Biggerexie betroffenen sind, leiden unter der Vorstellung, zu wenig muskulös zu sein. Sie versuchen, vor allem mit exzessivem Sport, aber auch mit Diätverhalten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Anabolika, ihre Figur zu verändern. Dabei kommt es zu einer Körperwahrnehmungsstörung, die der Magersucht ähnelt: Der Körper wird trotz der entstandenen Muskeln als immer noch zu schmächtig wahrgenommen und die Maßnahmen werden weiter verstärkt.

Kann eine Esstörung jeden treffen?

Natürlich. Essstörungen können Jungen und Mädchen, Männer und Frauen jeden Alters entwickeln. So wenig wie es „die typische Essstörung“ gibt, gibt es „die typischen Betroffenen“. Zwei Gruppen möchten wir aber hervorheben:

Männer und Essstörungen

Auch Männer sind von Essstörungen betroffen. Sie haben oft starke Hemmungen, über ihre Probleme zu sprechen. Denn immer noch besteht das Klischee, Essstörungen seien ein weibliches Problem.

In Wirklichkeit ist jeder zehnte Essgestörte männlich. Ebenso wie Frauen sind Männer von Magersucht, Bulimie und Esssucht betroffen, mit einem kleinen Unterschied: Bei den Männern fängt die Essstörung meist etwas später an, gegen Ende der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter. Genau wie bei den weiblichen Betroffenen stehen hinter der Essproblematik psychische und soziale Probleme. Die meisten Therapien, ob ambulant oder stationär, sind inzwischen auf Männer und Frauen ausgerichtet.

Wenn Sie betroffen sind, wagen Sie den Schritt zu uns in die Beratung! Wir schauen dann gemeinsam, in welcher Therapie Sie als Mann gut aufgehoben sind.

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Essstörungen bei Kindern

Ein vorübergehendes „schwieriges“ Essverhalten bei Kindern tritt in den ersten Lebensjahren häufig auf und ist zunächst kein Grund zur Besorgnis. Die Ursache ist meist eine ganz natürliche „Neophobie“, die Angst vor Neuem und Unbekanntem. Eine Essstörung liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Kind über eine längere Zeit das Essen völlig verweigert oder ohne körperliche Ursache Essen erbricht.

Wenn ausschließlich ein normales schwieriges Essverhalten vorliegt, sollten die Eltern gelassen damit umgehen und ohne Druck und Zwang immer wieder neue Lebensmittel anbieten. Dann wird sich das Problem irgendwann von selbst lösen. Das sehr empfehlenswerte Buch zu diesem Thema „Jedes Kind kann richtig essen“ (Kast-Zahn) finden Sie in unserer Literaturliste.

Ein Teufelskreis kann entstehen, wenn ein Kind zu Hause, im Kindergarten oder Hort unter Druck gerät zu essen, obwohl es satt ist, oder Dinge zu essen, gegen die es einen Widerwillen hat. Daraus kann sich eine solche Trotz- und Abwehrreaktion entwickeln, dass Eltern wie Kind das Essen nur noch als Stresssituation und Kampfplatz erleben. Je mehr Druck entsteht zu essen, umso mehr verweigert das Kind das Essen – und umso mehr die Eltern in Sorge um die Ernährung ihres Kindes geraten, verstärken sie den Druck.
Eine ähnliche Situation entsteht bei übergewichtigen Kindern: Je mehr die Eltern ihr Kind beim Essen bremsen wollen, umso mehr kämpft es um sein Essen.

Wenn Sie sich in einem der beiden Beispiele wiedererkennen, wäre für Sie eine Beratung sinnvoll. Oft kann schon in einem oder mehreren Beratungsgesprächen ein solcher Teufelskreis zwischen Eltern und Kind gelöst werden.

Eine ernst zu nehmende kindliche Essstörung liegt vor, wenn

  • das Kind ohne körperliche Ursachen Essen erbricht.
  • das Kind so wenig isst, dass die Gewichtszunahme aus ärztlicher Sicht unzureichend ist.
  • das Kind deutliche Symptome einer Esssucht aufweist, d.h. Essen als Ersatzmittel für seelische Bedürfnisse benutzt, kein Sättigungsgefühl spürt, das Essen in sich hinein schlingt, viel ans Essen denkt und vom Essen spricht, heimlich isst, evtl. lügt oder stiehlt – und die Gewichtskurve ständig steigendes Übergewicht zeigt.

In diesen Fällen brauchen Sie und Ihr Kind dringend Hilfe. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf! Dann können wir mit Ihnen klären, was in einem Beratungsgespräch möglich ist, und Sie eventuell zur zusätzlichen medizinischen oder therapeutischen Abklärung und Begleitung an eine spezialisierte Einrichtung verweisen.

Eine Essstörung kommt selten allein

Essstörungen treten sehr häufig nicht allein, sondern in Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen auf. Beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer (psychischer oder körperlicher) Krankheitsbilder spricht man von einer „Komorbidität“.

Begleiterkrankungen

Besonders verbreitet unter Menschen mit Essstörungen sind depressive Störungen. Eine Depression ist neben der typischen gedrückten Stimmung unter anderem durch Antriebs- und Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Appetitverlust oder Steigerung des Appetits und Schlafstörungen gekennzeichnet. Sehr viele Betroffene haben schon mindestens einmal an einer Depression gelitten. Dabei kann die Depression schon vor der Essstörung vorhanden sein, sich gleichzeitig mit ihr entwickeln oder sich in Folge der Essstörung einstellen. Dies gilt auch für die weiteren, hier vorgestellten komorbiden Störungen.

Auch Angst- und Zwangsstörungen sind bei Menschen mit Essstörungen häufig zu finden. Unter den Angststörungen sind dies insbesondere die soziale Phobie und die Agoraphobie. Die soziale Phobie ist gekennzeichnet durch große Angst, von anderen beobachtet und bewertet zu werden, was in der Folge häufig dazu führt, dass angstauslösende soziale Situationen soweit wie möglich vermieden werden. Wer unter einer Agoraphobie leidet, hat Angst vor Menschenmengen, vor öffentlichen Plätzen, vor Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause und/oder vor Reisen alleine und versucht deshalb, diese Situationen zu vermeiden. Bei einer Zwangsstörung leiden die Betroffenen unter wiederkehrenden, quälenden Zwangsgedanken, also stereotypen, wiederkehrenden Ideen, Vorstellungen und Impulsen sowie Zwangshandlungen wie zum Beispiel bestimmten Ritualen, gegen die sie sich erfolglos wehren.

Sehr viele Menschen mit Essstörungen leiden unter Persönlichkeitsstörungen. Sie zeigen „tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen“ (aus dem Diagnoseklassifikationssystem ICD-10). Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Diese geht unter anderem mit starken Stimmungsschwankungen, einem unklaren Selbstbild, instabilen, aber intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen und häufig auch riskantem und/oder selbstverletzendem Verhalten einher.

Auch Suchterkrankungen treten bei Menschen mit Essstörungen häufig auf. Insbesondere einige Bulimie-Betroffene weisen zusätzlich zu ihrer Essstörung einen Substanzmissbrauch oder eine Sucht auf.

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Woran erkennt man eine Essstörung?

Fragst du dich, ob du von einer Essstörung betroffen bist – oder eine dir nahestehende Person? Zur Orientierung haben wir einige typische Anzeichen und Symptome für dich zusammengestellt.

Der erste Schritt ist immer der schwierigste.

Was kann man dagegen tun?

Jeder Mensch, jede Lebenssituation ist einzigartig und jede Person, die bei uns Hilfe sucht, sucht auch den eigenen Weg aus der persönlichen Krise. Wir beraten und begleiten dich.

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Sie erkennen jemanden wieder?

Wenn Sie als Eltern oder Partner mit einer Person mit Essstörung zusammenleben, brauchen Sie selbst Unterstützung. Wir beraten und begleiten Sie individuell und können Ihnen dafür verschiedene Unterstützungsformen aufzeigen.